Zum Roten Ochsen — Chronik

Wie alles begann
1839
Der Gasthof „Zum Roten Ochsen“ (erbaut 1703) ist nunmehr seit über einhundertachtzig Jahren im Besitz der Familie Spengel. Das Haus Spengel wurde am 7. September 1839 von Albrecht Spengel, seines Zeichens Metzger und Wirt, zum Preis von 11.300 Gulden käuflich erworben. Der „Rote Ochsen“ spiegelt wohl wie kein anderes Gasthaus Geschichte, Kultur und Wirtschaftsleben der Stadt Heidelberg wider. Von Albrecht Spengel wurde das Haus sicher durch die unruhigen Zeiten der 1848-iger Revolution bis zum Jahre 1865 geführt. Bereits in jenen Tagen wurden von Albrecht Spengel zur Erleichterung der täglichen Abrechnungen Biermünzen eingeführt, von denen zur heutigen Zeit vier verschiedene Exemplare bekannt sind. Die Biermünzen wurden im „Roten Ochsen“ bis 1965 benutzt.
Die 2. Generation
Papa Spengel
Albrecht Spengels Sohn Karl verdankt der „Rote Ochsen“ seinen bis in die heutige Zeit reichenden Bekanntheitsgrad. Die ehrende Anrede „Papa Spengel“ erwarb er sich bei vielen deutschen und auch ausländischen Studenten wegen seines großen Verständnisses für die Freuden und Nöte „seiner Buben“. Er war es auch, der mehrfach in der Neuen Zürcher Zeitung bekannt gab, daß er wieder mal in der Schweiz sei und alle seine Schweizer Freunde zu einem Umtrunk lade. Der berühmte Ochsenwirt – im Kurpfälzer Jahrbuch von 1926 findet man ihn in der Galerie der originellen Heidelberger wieder – besaß auch das nötige Feingefühl zum Dichten:

Im roten Ochsen zu Heidelberg sagt Papa Spengel Dir:
„Mein Sohn, mehr als die Philosophie gibt Dir bestimmt mein Bier.“
Im roten Ochsen zu Heidelberg da geht es allen gut.
Die Medizin hat’s schon gemerkt und macht aus Bier dort Blut.
Im roten Ochsen zu Heidelberg trinkt auch der Theolog,
Weil er schon oft den Weisheitsschluß dort aus dem Bierdunst sog.
Im roten Ochsen zu Heidelberg ist’s Bier bestimmt nicht schlecht,
Drum säuft sich der Jurist dort voll bis er vergißt sein Recht.
Der rote Ochsen zu Heidelberg und dann der Schurmanbau;
Zum zweiten kommt man leider nicht weil man im ersten blau.
Begegnung mit Bismarck
1892
Unvergeßlich war für „Papa Spengel“ seine Begegnung mit Bismarck im Jahr 1892 im Kissingen. Nachdem ihm der berühmte Kanzler seine Rechte zum Gruß gereicht hatte, eilte „Papa Spengel“ von Lokal zu Lokal und hielt den Spießern seine Hand mit den Worten unter die Nase: „Acht Tag‘ wäsch ich mir die Hand nimmer, die hat mir heut‘ der Bismarck gewe!“- Noch heute ziert in Erinnerung an diese Stunde ein Brief Bismarcks an „Papa Spengel“ die Räume des „Roten Ochsen“.
Neben den Trinkhörnern, den originellen Bierkrügen und den unzähligen anderen Trophäen geben die vielfältigen Bilder und Lithographien an den Wänden ein lebhaftes Abbild jener Zeit preis. Zusammen mit den zahlreichen Gästebüchern jener Tage, mittlerweile sind es mehr als 25, lassen sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Tage und Nächte im „Roten Ochsen“ nahezu chronologisch nachvollziehen.


Unzertrennlich
Zum Roten Ochsen und die Studenten
Es waren vor allem die Studenten der „Freien Schweizer Vereinigung“, der Burschenschaft „Frankonia“, der Verbindung „Rupertia“ und der „Hamburger Gesellschaft“, die im „Roten Ochsen“ gastierten oder wie die Hamburger und Schweizer Studenten dort sogar ihr ständiges Heim hatten. Unter anderem verbrachten der berühmte Hamburger Neurologe Max Nonne, der auch mehrmals an das Krankenbett Lenins gerufen wurde sowie der spätere Schwezier Bundesrat Joseph Motta viele Stunden ihrer Heidelberger Studienzeit im „Roten Ochsen“. Ein Ausspruch eines Studenten gibt die Atmosphäre jener Tage wider: „Willst Du vom ochsen Dich erholen, mach Dich zum Ochsen auf die Sohlen!“
Noch heute kehren zahlreiche „alte Herren“ und deren Nachfahren in den „Roten Ochsen“ ein, um über die alten Zeiten zu plaudern, beziehungsweise um sich einen Eindruck über die Romantik des Studentenlebens in Alt-Heidelberg zu verschaffen.
Friedrich Spengel
1907
Am 1. April 1907 kam Friedrich Spengel auf den „Roten Ochsen“. Er stand über 65 Jahre im Gaststättenberuf. Nach seiner Lehrzeit im „Viktoria-Hotel“ zu Wiesbaden sammelte er in über vier Jahren Erfahrung im Ausland. Seine Wege führten ihn dabei vor allem in die Schweiz, nach Frankreich und nach England, worauf er immer voller Stolz hingewiesen hat. Friedrich Spengel führte den „Roten Ochsen“ durch die von vielen Krisen heimgesuchten 30-iger Jahre und verstand es darüber hinaus, „den Ruf seines gepflegten Hauses in Zusammenarbeit mit seiner ebenfalls durchgebildeten Familie weiter auszubauen“. Gasthaus zum Rothen Ochsen – Friedrich Spengels Traditionsbewußtsein ist es zu verdanken, daß viele wichtig Dokumente und nette Anekdoten bis in die heutige Zeit erhalten blieben. Die Zeit bis zum Ende der Zweiten Weltkriegs war auch für den „Roten Ochsen“ eine Zeit der Entbehrungen. Schmerzlich wog der Verlust des einzigen Sohnes Fritz für dessen Eltern Friedrich und Auguste aber auch insbesondere für seine junge Ehefrau Gertrud. Einzig der Gedanke, das anvertraute Geschäft eines Tages ihrem Sohn Werner zu übergeben, ließ sie damals im „Ochsen“ verweilen.


Gertrud Spengel
Kriegs- und Nachkriegsjahre
Dank ihrem aufopferungsvollen Engagement und dank der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ihrer Wieslocher Verwandtschaft konnten die Gäste jener Tage sich doch an gefüllten Gläsern und sättigenden Portionen erfreuen. Auch nach Kriegsende stand Gertrud Frankenberger, in zweiter Ehe mit Kurt Frankenberger verheiratet, für viele Jahre gemeinsam mit ihrem Mann dem „Ochsen“ vor. Noch heute läßt sie es sich nicht nehmen, in dem Ort, der ihr Leben so nachhaltig geprägt hat, nach dem Rechten zu sehen.
Im Zuge der Währungsreform 1948 und des anschließenden „Wirtschafts-Wunders“, brach man auch im „Roten Ochsen“ zu neuen Ufern auf. Die Pforten Heidelbergs begannen sich in Richtung der großen, weiten Welt zu öffnen, so daß sich rund um die mit Schnitzereien verzierten Tische im „Roten Ochsen“ ein internationales Sprachengewirr ausbreitete. Zusammen mit den emsigen Bedienungen Ella, Emma, Ida und Lina, die über 50 Jahre zum festen Inventar gehörten, konnten die Spengels viele berühmte Persönlichkeiten der Wissenschaft, Kunst und Politik im „Roten Ochsen“ begrüßen. Die Gästebücher jener Tage lesen sich wie ein „who is who?“ der damaligen Zeit.
Werner und Ute Spengel
1965
Im Jahre 1965 übernahm Werner Spengel zusammen mit seiner Frau Ute den „Roten Ochsen“. Werner Spengels gastronomischer Weitblick hat entscheidend dazu beigetragen, den guten Ruf des „Roten Ochsen“ bis weit über die Grenzen Deutschlands hinweg zu festigen. Seiner Heimatstadt Heidelberg fühlte er sich eng verbunden und stand ihr bei zahlreichen Aktivitäten tatkräftig zur Seite, unter anderem bei der Präsentation der „Heidelberger Studentenliebe“ und dem „Heidelberger Herbst“ mit dem „Ochs am Spieß“. Der von Werner Spengel geprägte Spruch „der Ochsen ist ein ganz besonderes Lokal“ läßt den Stolz, dem Familienunternehmen „Roter Ochsen“ vorzustehen, nicht verkennen.
Seit dem Tod ihres Ehemanns ist Ute Spengel in die Rolle der „Wirtin“ geschlüpft und hat den Roten Ochsen mittlerweile an die nächste Generation, den gemeinsamen Sohn Philipp Spengel weiter gegeben.
